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30 Jahre im Dienst des Müritz-Nationalparks – ein Rückblick

Ende April verabschiedeten sich die Distriktleiter Peter Barofke (Müritz Mitte) und Ralf Pauli (Serrahn) in den Ruhestand. Im Interview lässt Ralf Pauli seine Zeit im Müritz-Nationalpark Revue passieren.

Amtsleiter Ulf Zimmermann und Ralf Pauli.
Amtsleiter Ulf Zimmermann (l.) verabschiedet Ralf Pauli (r.) in den Ruhestand.

Ich habe es nie bereut, in den Nationalpark gewechselt zu sein“, sagt Ralf Pauli, scheidender Distriktleiter in Serrahn. Genauso wenig wie das Studium der Forstwirtschaft. Dabei war der berufliche Weg des Försters nicht vorgezeichnet. Nach einer Lehre als Baufacharbeiter mit Fachabitur sollte er Bauwesen studieren, die Studienplatzzusage hatte er bereits. Nach seinem Militärdienst begann er seine Laufbahn zunächst als Waldarbeiter. „Die Arbeit hat mir Spaß gemacht. Ich wurde nach Leistung bezahlt, war jung und kräftig und habe gut verdient“, erzählt Pauli. Vorgesetzte erkannten sein Talent und ermöglichten ihm den Weg in die Forstwirtschaft. Eine Entscheidung, die ihn letztendlich in den Nationalpark geführt hat. 

 

Das vierjährige Fernstudium verlangte dem jungen Familienvater viel Disziplin ab: eine Woche Präsenz im Monat, der Rest war Selbststudium. „Die Kommilitonen, die schon eine Forstlehre absolviert hatten, waren mir um einiges voraus“, erinnert er sich. Noch während des Studiums sollte er bereits Aufgaben eines ausgebildeten Försters übernehmen. „In der DDR war es üblich, dass man als Absolvent sein eigenes Revier bekam. Da ich jedoch nicht in der Partei war, wurde mir dies verwehrt“, erzählt Pauli. So erhielt er sein erstes Revier in Ahrensberg erst mit der Wende. Ein Treuhandrevier, bei dem klar war, dass es irgendwann verkauft werden würde. Pauli übernahm 1996 deshalb mit Freuden das Revier Herzwolde im Nationalpark. „Ich habe mich damals bewusst für den Naturschutz entschieden.“ 

Pauli neben Totholz im Serrahn.
Ralf Pauli in seinem Revier im Serrahn.

Kontroverse um die Holznutzung in den Anfangsjahren des Müritz-Nationalparks

 

Die Anfangsjahre des Nationalparks seien eine turbulente Zeit gewesen. Vor allem das Thema Holznutzung sorgte für Spannungen. „Zwischen den Mitarbeitern der ehemaligen Nationalparkverwaltung, die die Nationalparkidee weiterentwickeln wollten, und den Forstleuten herrschte ein regelrechter Kleinkrieg. Es wurde oft gestritten, bis die Fetzen flogen“, erinnert sich Pauli. Mit der Zusammenlegung der Nationalparkverwaltung und der Forstverwaltung zum Nationalparkamt Müritz 1996 wurden sehr viele Mitarbeiter aus den Forstämtern übernommen. „Wir waren also rund 160 Mitarbeiter im neugegründeten Nationalparkamt Müritz, viele davon Waldarbeiter. Die wollten beschäftigt werden.“ Mit der Zusammenlegung der Nationalparkverwaltungen und der paritätischen Besetzung der Führungspositionen aus beiden Lagern konnte der Konflikt schließlich befriedet werden. Dazu trug auch die „Forsteinrichtung“ 1997 bei, das erste gemeinsame Regelwerk, das klare Handlungsanweisungen für die Waldbewirtschaftung vorgab. Unter anderem wurde darin verfügt, dass außer der Roteiche kein Laubholz und beim Nadelholz nur Jungbestände eingeschlagen werden durften. 

 

27 Jahre nach Gründung des Nationalparks wurde der Holzeinschlag dann komplett eingestellt. „Das war ein langer Prozess“, betont Pauli. Im Zuge dessen wurden auch Stellen abgebaut und ehemalige Forstwirte zu Rangern umgeschult. „Es hat mir wirklich gut gefallen, dass die Forstwirte diese Entwicklung mitgemacht und sich reingekniet haben. Inzwischen stehen alle hinter der Nationalparkidee.“ So konnte auch die Umweltbildung vorangebracht werden, die nicht nur gesetzlicher Auftrag der Nationalparke ist, sondern Pauli auch persönlich sehr am Herzen liegt. „Wir haben ja das Jugendwaldheim hier im Serrahn-Teil, wo man Schulkinder an die Natur heranführt. Das ist mir wichtig.“

 

In seiner Anfangszeit im Nationalpark habe es ihn noch manches Mal in den Fingern gejuckt angesichts des wertvollen Holzbestandes in den Wäldern, gibt Pauli freimütig zu: „Ich kann mich noch an meine erste Ausfahrt erinnern, als ich das Revier Herzwolde gerade übernommen hatte. Ich dachte: Mein Gott, so viel Kiefernaltholz und kein Einschlag mehr – das wird einmal ganz teurer Humus. Da hatte ich immer noch den wirtschaftlichen Gedanken im Hinterkopf. Den habe ich heute nicht mehr.“

Kiefer im Müritz-Nationalpark
Diese Kiefer in Serrahn ist über 200 Jahre alt.

Naturschätze in Serrahn

 

Denn die Menschen, die den Nationalpark besuchen, haben deutlich gemacht: Wer hier unterwegs ist, will keinen Wirtschaftswald sehen, sondern die 230 Jahre alten Kiefern, die es in Serrahn noch gibt. Sie wurden in der DDR nicht zur Harzproduktion herangezogen, weil die Flächen damals bereits unter Naturschutz standen. „Das ist eine Besonderheit. Solche dicken Kiefern gibt es in ganz Deutschland nicht mehr. Wer so alte Bäume sehen will, muss zu uns kommen“, erklärt Pauli. Und auch das UNESCO-Weltnaturerbe „Alte Buchenwälder Deutschlands“ lockt die Menschen in den Distrikt Serrahn. Der im 18. Jahrhundert aus Hutewald entstandene Bestand mit Jahrhunderte alten Eichen und Buchen ist eine der wenigen Weltnaturerbeflächen in Deutschland. Ein wertvoller Naturschatz. Distriktleiter Pauli freut sich über die Auszeichnung, findet aber, dass man bei der Festlegung der Welterbe-Grenze mutiger hätte sein können: „Man hätte weiter nach Osten gehen können: Da befinden sich Moore, Brüche, die gehören in einen Buchenwald, und dahinter geht es weiter mit alten Buchen. Das hätte mit in die Weltnaturerbefläche aufgenommen werden können.“

 

Nach und nach wurden die fünf Forstreviere Goldenbaum, Herzwolde, Serrahn, Waldsee und Grünow zusammengelegt, so dass Ralf Pauli heute als Distriktleiter den gesamten Serrahn-Teil verwaltet. Ein Gebiet mit einer Fläche von 6.200 Hektar. In anderen Bundesländern arbeiten auf einer vergleichbaren Nationalparkfläche bis zu 40 Mitarbeiter. „Mecklenburg-Vorpommern ist eben ein armes Bundesland“, kommentiert Pauli. „Deshalb bin ich auch so stolz darauf, was wir hier trotzdem schaffen: Instandhaltung der Wanderwege, Beschilderung, Monitoring. Wir müssen uns nicht verstecken.“ Trotz der enormen Größe seines Reviers kennt Pauli, der fast sein ganzes Berufsleben hier verbracht hat, das Gebiet wie seine Westentasche. „Ich wette, wenn mir jemand ein Foto zeigt, das in Serrahn aufgenommen wurde, dass ich sagen kann, wo im Revier das ist“, bemerkt er mit einem Augenzwinkern. Der Distrikt Serrahn, das sei sein Lebenswerk. „Wenn ich zurückblicke, dann bin ich unglaublich dankbar, dass man mir bei den fachlichen Entscheidungen sehr viel Autonomie zugestanden hat. Ich hatte immer eigene Gestaltungsmöglichkeiten.“

 

Auch Moorrenaturierungen zählten zu den Aufgaben des Distriktleiters

 

Gemeint sind unter anderem die Moor-Renaturierungen. „Um ganzjährig Wasser zur Verfügung zu haben, haben unsere Vorfahren sämtliche Moore angegraben. Hier existiert ein Grabensystem vom Feinsten“, erläutert Pauli. Zur Wiedervernässung wurden Plomben gesetzt, Gräben verfüllt und ein intensives Monitoring mit Pegelmessungen durchgeführt. „Das Schöne ist, wenn die Wiedervernässung auch auf Flächen funktioniert, wo man zunächst skeptisch war, ob genügend Wasser vorhanden ist.“ Der Distriktleiter blickt auf viele erfolgreiche Wiedervernässungsprojekte zurück, darunter das Moosbruch, das Birkbruch oder das Postbruch. Inzwischen sind fast alle in Frage kommenden Moore in seinem Revier wiedervernässt: „Ich habe fast keine zu renaturierenden Flächen mehr. Die Ablaufrinne des Grünower Sees ist im Teilgebiet Serrahn das letzte große Renaturierungsprojekt.“

 

Für Pauli ist der Müritz-Nationalpark eine Erfolgsgeschichte. Sorge bereiten ihm nur die politischen Veränderungen. „Es liegen Forderungen auf dem Tisch, die wenig Spielraum für Natur- und Klimaschutz lassen. Der Gegenwind ist enorm, wir müssen uns auf schwierige Zeiten einstellen. Ich hoffe, dass meine Nachfolgerin dieses kleine Reich hier verteidigen kann.“

 

Den guten Kontakt zu seinen Kolleginnen und Kollegen will er auch nach der Verrentung halten: „Gesundheitlich müsste ich sowieso mehr Ausdauersport machen. Die Zeit habe ich jetzt. Das heißt, ich werde viel mit dem Rad unterwegs sein und in meiner ehemaligen Dienststelle auch mal eine Pause einlegen“, sagt Pauli. Oder die Zeit an seinem Lieblingsplatz im Nationalpark genießen: „Es gibt eine Stelle oberhalb des Hinnensees, wenn man da im Sommer hinunterschaut, das ist einmalig“, verrät er. „Das Wasser leuchtet türkisblau. Es ist fast wie auf den Seychellen.“