Weltenbummler auf der Zwergschnäpper-Road
Ich treffe Roland Weber am Parkplatz Dianenhof. Den Serrahn-Teil des Müritz-Nationalparks kennt er wie kein Zweiter, denn er ist hier aufgewachsen. „Der Weg in Richtung Schweingartensee war fast dreißig Jahre mein täglicher Dienstweg“, sagt er. Durch seinen Vater, der die Biologische Station Serrahn leitete, lernte er früh die Natur und die Vogelwelt kennen. „Mein Vater war Forstingenieur, aber im eigentlichen Sinne hatte er mit der Forstwirtschaft wenig zu tun. Er kümmerte sich um den Erhalt der Buchenwälder im Serrahn und sorgte dafür, dass 1952 hier ein Naturschutzgebiet eingerichtet wurde. Es umfasste im Prinzip bereits das heutige UNESCO-Weltnaturerbegebiet“, erklärt der Ranger.
Ein Vogelexperte von Kindesbeinen an
Die Leidenschaft für Ornithologie wurde Roland Weber praktisch in die Wiege gelegt. „Mein Vater hat unter anderem erforscht, welchen Einfluss Vögel auf Forstschädlinge nehmen. Dazu wurden hunderte Nistkästen im Wald ausgebracht. Diese wurden kontrolliert, die Jungvögel gezählt, vermessen und beringt. Da war ich schon als ganz kleiner Junge mit dabei.“ Die Prüfung zum Vogelberinger schloss er bereits mit 12 Jahren ab.

Während seiner Tätigkeit als Nationalpark-Ranger hat Roland Weber jedes Jahr im zeitigen Frühjahr Vogelführungen durchgeführt, die sich großer Beliebtheit erfreuten. „Bei der letzten Führung konnten wir 52 Arten bestimmen“, erzählt der Vogelexperte, der während des Spaziergangs immer wieder stehenbleibt, um den Vogelstimmen zu lauschen oder Vögel mit seinem Fernglas zu beobachten. Er deutet auf ein Kranichpaar, das in einiger Entfernung im Moor wandert: „Diese Kraniche brüten immer an derselben Stelle. Doch dieses Jahr haben sie ihr Junges verloren. 2025 war kein gutes Kranichjahr, es war viel zu trocken.“
Sein Blick schweift in die Baumkronen. „Wir sind gerade auf der ‚Zwergschnäpper-Road‘ unterwegs. Wusstest du das?“, fragt er. „An keiner anderen Stelle in Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine so hohe Dichte an Zwergschnäppern wie hier. Der Zwergschnäpper ist quasi der Wappenvogel des Serrahns.“ Die männlichen Zwergschnäpper, die dem Rotkehlchen ähneln, lassen sich auch von Laien an ihrem markanten Gesang leicht erkennen. „Im Osten Deutschlands hat der Zwergschnäpper seine westliche Verbreitungsgrenze. Wenn ich hier also im Frühjahr Niederländisch sprechende Menschen mit Fernglas durch den Serrahn laufen sehe, spreche ich sie immer an, denn ich weiß, das sind Ornithologen auf der Suche nach dem 'Kleine Vliegenvanger'. So heißt der Vogel auf Niederländisch“, erklärt der Ranger.

Wichtigste Aufgabe des Rangers: Für die Natur begeistern
Man merkt ihm die Freude darüber an, sein Wissen über die Natur zu teilen. Viele Jahre hat er dieses Wissen im Jugendwaldheim Steinmühle auch an Kinder weitergegeben. „Das ist für mich das Faszinierende am Rangerberuf: Mit Menschen jeden Alters ins Gespräch zu kommen, ihnen etwas über die Natur beizubringen, ein Naturverständnis zu vermitteln. Auch bei Gebietskontrollen: Wenn man mal auf jemanden trifft, der eine Regel nicht einhält, darf man nicht gleich mit dem Verwarngeld-Block kommen. Man muss das Gespräch suchen und aufklären, warum wir das hier machen, warum die Regeln sinnvoll sind.“
Er erinnert sich auch gern an die Filmteams, die er durch den Müritz-Nationalpark begleitet hat: „Der MDR, der NDR, die waren alle hier. Einmal waren wir mit Booten auf dem Fürstenseer See unterwegs. Da bat mich einer der Redakteure, eine Vogelstimme nachzuahmen. Ich habe den Standruf des Schwarzspechts imitiert“, erzählt Weber und lässt es sich nicht nehmen, diesen Ruf gleich an Ort und Stelle noch einmal auszuführen. Doch kein Schwarzspecht antwortet. „Das war damals genauso“, sagt er lachend. „Aber von rechts kam auf einmal eine Rohrdommel über dem Wasser angeflogen. Das sieht man höchst selten. Das werde ich nie vergessen, das war toll. Und diese Szene hat es auch in den Film geschafft!“
Wie wichtig Menschen sind, die Naturwissen gut vermitteln können, weiß Weber aus eigener Erfahrung. Einer seiner Lehrmeister war der bekannte Entomologe Dr. Ernst Urbahn, der ihn auf Schmetterlings-Exkursionen mitnahm und ihm viel beibrachte. Weber erinnert sich: „Als ich 18, 19 Jahre alt war, habe ich mich eine Zeit lang sehr intensiv mit Schmetterlingen befasst.“ Er grinst und fügt hinzu: „Andere Jugendliche sind in die Disko gegangen, ich stand mit meinem Leintuch im Wald und habe Schmetterlinge gefangen.“ Innerhalb von zwei Jahren hat Weber so 680 Arten im Serrahn bestimmt.
Sein Schmetterlingswissen kam ihm auch bei der beliebten Fledermausnacht zugute, die der Müritz-Nationalpark jedes Jahr im August anbietet: „Zum Abschluss der Führung habe ich immer die Nachtfalter präsentiert, also das Futter der Fledermaus. Mit einem Tuch wurden die Falter gefangen und dann mit einer Becherlupe bestimmt. Das war spannend und hat jedes Mal viele Menschen gelockt“, erinnert er sich. Diese Bestimmungsaktion macht jedoch auch den Artenverlust deutlich: „Es gibt Aufzeichnungen von Anfang der 1980er-Jahre, in denen 250 verschiedene Arten an einem Abend erfasst wurden. Jetzt kommen vielleicht zwanzig Arten zusammen. Da wird die Abnahme der Insektenvielfalt schon sehr deutlich. Und das hat kaum jemand auf dem Schirm“, sagt Weber nachdenklich.

Ruhestand? Noch mehr Zeit zu reisen
Dass dieser profilierte Artenkenner zu einer Anstellung im Nationalpark fand, war allerdings im – wahrsten Sinne des Wortes – ein Betriebsunfall: Nach seiner Ausbildung zum Forstfacharbeiter-Mechanisator arbeitete Roland Weber zunächst als Forstarbeiter. Ein Studium der Forstwissenschaft hätte er sich durchaus vorstellen können, aber die Voraussetzung dafür wäre der Eintritt in die SED gewesen. Das kam für ihn nicht infrage. Und so war er viele Jahre als LKW-Fahrer bei der Forst tätig.
Nach der Wende arbeitete er im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme erneut als Forstarbeiter. Dann hatte er 1996 einen Unfall, der ihm die schwere Arbeit unmöglich machte. Ein Vorgesetzter gab ihm den Tipp, sich bei der Nationalparkverwaltung als Ranger zu bewerben. Er wurde angenommen und absolvierte eine weitere Ausbildung. „Seit dem Jahr 2000 darf ich mich ‚Geprüfter Natur- und Landschaftspfleger‘ nennen. Ich bin sozusagen zertifizierter Ranger“, sagt Weber schmunzelnd. Seitdem hat er fast dreißig Jahre mit Führungen, Gebietskontrollen und Monitoring verbracht. Wird ihm das in der Rente fehlen?
„Das Feedback wird mir fehlen“, sagt Weber. „Ich kann mir zukünftig am Ende des Tages nur selbst auf die Schulter klopfen, wenn ich gut gearbeitet habe. Aber ich war 47 Jahre berufstätig und das reicht dann auch. Langweilig wird mir sicher nicht. Ich bin ja Imker und besitze ein paar Hektar Grünland, wo 20 und 40 Schafe weiden. Außerdem nehme ich an Marathons teil und fahre gern Rennrad. Demnächst möchte ich erst einmal 800 Kilometer durch Italien fahren. Überhaupt möchte ich noch viel mehr reisen.“ Viel mehr reisen als bisher, muss man wohl sagen, denn der Ranger hat bereits die halbe Welt bereist. Aus purer Reiselust, aber auch beruflich: Als Tourguide für Vogelkundler war er allein in Estland rund vierzig Mal.
Auf die Frage, in welchen Ländern er bereits gewesen ist, zählt Weber bereitwillig auf: „Ich war mehrmals in Südafrika, in Botswana, ich bin quer durch die Kalahari-Wüste gefahren. In Tansania habe ich die Serengeti und den Ngorogoro-Krater besucht und bin an Grzimeks Grab gewesen. In Indien war ich auf den Spuren der freilebenden Tiger unterwegs. Ich war im Baltikum, in Schweden, in Island, in der Ukraine und in der Ost-Türkei. Mit einem Freund bin von Bonaire über Santa Marta in Kolumbien bis zum Panama-Kanal gesegelt. In Nepal bin ich die Annapurna-Runde gelaufen. Ich war in Sibirien am Baikalsee paddeln. In Lai, Tibet, hatte ich das große Glück, wilde Schneeleoparden zu sehen. Das war eines der schönsten Erlebnisse auf dieser Welt!“ Einige Tage nach unserem Gespräch wird der Weltenbummler zu einer zweiwöchigen Reise nach Spitzbergen aufbrechen
Dennoch möchte er nirgendwo anders leben als in Mecklenburg-Vorpommern: „Du hast zwar keine Berge, aber sonst hast du hier alles: viele Seen, Wälder und Ruhe. Und teilweise noch unzerschnittene Landschaft. Wenn man wie ich die Welt gesehen hat, wird einem klar, in welch begnadeter Natur wir hier leben und wie gut es uns geht. Es ist schon ein Privileg, hier seinen Lebensmittelpunkt haben zu dürfen. Ich hoffe sehr, dass wir diese Natur langfristig erhalten können.“